Fünf Gründe, warum Sie Ihre Schichtpläne optimieren sollten

24.05.23
In kaum einem Bereich der Arbeitszeitgestaltung gibt es so offensichtliche Defizite wie in der Schichtplanung. Dabei hat eine nachhaltige und gleichzeitig effiziente Gestaltung der Schichtarbeit ein großes wirtschaftliches Wirkungspotential. Wenn auch in Ihrem Unternehmen Teile der Belegschaft im Schichtbetrieb arbeiten, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass auch in Ihrem Unternehmen solche Potentiale brachliegen. Nachfolgend beschreiben wir die fünf wichtigsten Gründe für die Optimierung von Schichtplänen.
1. Die meisten Schichtpläne sind nicht bedarfsgerecht
Die meisten Schichtpläne organisieren nur in der Theorie, wie viele Mitarbeiter in einer Schicht anwesend sein werden. Wenn eine Schichtgruppe aus zehn Mitarbeitern besteht, suggeriert der Schichtplan, dass in der jeweiligen Schicht zehn Mitarbeiter anwesend sein werden. Dies ist aber nur in der Ausnahme der Fall, denn in der Regel werden ein oder mehrere Mitarbeiter wegen Krankheit, Urlaub oder aus anderen Gründen abwesend sein. In der Realität werden in einem solchen Fall im Durchschnitt ca. acht Mitarbeiter anwesend sein und in der einzelnen Schicht manchmal sieben, manchmal neun und eventuell hin und wieder auch einmal zehn Mitarbeiter. Sofern der konkrete Bedarf an Mitarbeitern pro Schicht überhaupt bekannt ist: Wie kann man davon ausgehen, dass unter diesen Voraussetzungen der Schichtplan tatsächlich den jeweiligen Personalbedarf deckt?
2. Viele Schichtpläne sind ergonomisch inakzeptabel
Es gibt immer noch viele Schichtpläne, die einen Wechsel der Schicht immer nur von Woche zu Woche vorsehen. Das bedeutet, wenn auch in Nachtschichten gearbeitet wird, dass in der Regel zwischen fünf und sieben Nachtschichten in Folge geleistet werden. Nach dem aktuellen Stand der Arbeitswissenschaft wird aber gefordert, dass möglichst wenig Nachtschichten in Folge geleistet werden, so dass fünf Nachtschichten hintereinander höchstens eine Ausnahme sein dürfte – und sechs oder sieben Nachtschichten am Stück sollten gar nicht auftreten. Ein weiteres Problem ist, dass viele Schichtpläne auf dem Papier zunächst ergonomisch gut aussehen. Wenn die Theorie des Schichtplans dann aber auf die Realität des Umgangs mit Abwesenheiten (Notwendigkeit der Vertretung von kranken Mitarbeitern oder Urlaubern) trifft, bleibt in der Praxis von den ergonomisch guten Eigenschaften der Pläne nur noch wenig übrig. Die Beispiele in Abbildung 1 und 2 verdeutlichen dies. Abbildung 1 zeigt einen gängigen und ergonomisch guten Schichtplan für vollkontinuierlichen Schichtbetrieb in fünf Schichtgruppen: Kurz rotierende Folge der Schichten, sechs Arbeitstage, dann vier Erholungstage. Weil in einem solchen Plan bei 8 Arbeitsstunden pro Schicht nur 33,6 Wochenstunden erreicht werden, müssen die Mitarbeiter Zusatzschichten zur Vertretung von Abwesenheiten leisten. Es gibt aber kaum andere Möglichkei-ten zur Abwesenheitsvertretung als in Abbildung 2 dargestellt. Damit ist die Ergonomie des Plans aber völlig zerstört: Hier kommt es nun zu acht Arbeitstagen in Folge mit nur noch zwei Erholungstagen bis zum nächsten Schichtblock sowie zur Unterbrechung der freien Tage durch einzelne Spätschichten. Und das nicht nur in seltenen Ausnahmefällen sondern immer dann, wenn auch nur ein Mitarbeiter fehlt.
Abb. 1: Ergonomisch guter Schichtplan
Abb. 2: Schichtplan mit Urlaubsvertretung
3. Die wenigsten Schichtpläne sind flexibel
Fast alle Schichtpläne kennen ausschließlich eine feste Anzahl von Schichtgruppen, die aus einer festen Anzahl von Mitarbeitern besteht und in einer fixierten Reihenfolge die verschiedenen Schichtarten bzw. schichtfreie Tage durchläuft. Und das über das ganze Jahr hinweg. In der Regel wird damit eine (theoretisch – siehe Punkt 1) feste und stets gleiche Anzahl anwesender Mitarbeiter pro Schicht geplant. Die meisten Unternehmen haben aber keinen stets gleich bleibenden Bedarf an Mitarbeitern. Vielmehr unterliegt der Bedarf Schwankungen in den verschiedensten Ausprägungen: Saisonale Bedarfsschwankungen, Schwankungen aufgrund des jeweiligen Produktionsplans und vieles mehr. Außer der Möglichkeit, je nach Bedarfssituation unterschiedlich vielen Mitarbeitern Urlaub zu gewähren auf der einen Seite und der Anordnung von Zusatzschichten am Wochenende andererseits bleiben dann keine echten Anpassungsmöglichkeiten an Bedarfsschwankungen. Das ist aber in vielen Fällen deutlich zu wenig und entspricht nicht den tatsächlichen Ausschlägen des Personalbedarfs nach oben und unten.
4. Die meisten Schichtpläne bieten keine Optionen zur Entlastung älterer Mitarbeiter
Gerade Produktionsunternehmen mit Schichtbetrieb sind mit der Herausforderung durchschnittlich bereits sehr alter und weiter alternder Belegschaften konfrontiert, weil gerade in dieser Branche in den letzten Jahrzehnten Personal häufig ausgedünnt wurde und damit wenig Spielräume für die Einstellung jüngerer Mitarbeiter bestanden. Aller Erfahrung nach ist es sehr unrealistisch anzunehmen, dass die große Mehrheit der Mitarbeiter einen Wechselschichtbetrieb, der auch regelmäßige Nachtschichten beinhaltet, ohne gesundheitliche Einschränkungen bis zum gesetzlichen Renteneintrittsalter von (derzeit) 65 Jahren und 6 Monaten bzw. in Zukunft 67 Jahren in Vollzeit wird leisten können. Damit möglichst viele Mitarbeiter ihr Renteneintrittsalter in Beschäftigung erreichen können, wird eine Entlastung älterer Mitarbeiter im Schichtbetrieb erforderlich sein. Eine solche Entlastung ist am wirkungsvollsten und organisatorisch einfachsten in Form zusätzlicher freier Tage zu erreichen. Eine Reduzierung der Arbeitszeit auf 80% (also ca. ein zusätzlicher schichtfreier Tag pro Woche) dürfte bereits von erheblicher Entlastungswirkung sein und es für viele Beschäftigte möglich machen, die unvermeidlichen Belastungen der Schichtarbeit deutlich besser zu vertragen. Dabei können wir an dieser Stelle außer Betracht lassen, ob eine solche Reduzierung der Arbeitszeit mit oder ohne einen vollständigen oder partiellen Lohnausgleich erfolgt. Der entscheidende Punkt für unsere Fragestellung hier ist: Wenn die heute gängigen Schichtsysteme schon mit den „normalen“ Abwesenheiten aufgrund von Urlaub und Krankheit überfordert sind (siehe Punkt 3), dann werden sie die deutlich erhöhten Anzahlen von Abwesenheitstagen aufgrund von Entlastungstagen in einer alternden Belegschaft erst recht nicht mehr bewältigen. Schichtpläne, die eine systematische Entlastung älterer Mitarbeiter ermöglichen sollen, müssen grundsätzlich anders konzipiert werden.
5. Nur Schichtpläne, die alle genannten Schwächen beseitigen, sind nachhaltig wirtschaftlich
Schichtpläne, die nicht bedarfsgerecht sind, verschwenden Arbeitszeit, weil immer wieder einmal mehr Mitarbeiter eingeplant werden, als aktuell benötigt würden. Zu anderen Zeiten erzeugen sie Unterbesetzungen, so dass die Mitarbeiter unter ungesunden Arbeitsdruck geraten und die Gefahr entsteht, dass Liefertermine für Kunden verpasst werden oder die Qualität der Arbeitsergebnisse leidet. Ergonomisch schlechte Schichtpläne stellen nicht nur einen Verstoß gegen das Arbeitszeitgesetz dar, sie führen mittel- und langfristig auch zu erhöhten Krankheitsquoten (also Kosten) und erhöhen das Risiko, dass immer mehr Mitarbeiter früher oder später nur noch eingeschränkt für Schichtarbeit tauglich sind. Unflexible Schichtpläne führen bei veränderlichem Personalbedarf ebenfalls zu Über- und Unterbesetzungen und den damit verbundenen wirtschaftlichen Nachteilen. Und Schichtpläne, die keine Entlastung älterer Mitarbeiter ermöglichen, werden viele Schichtbetriebe an den Rand des Zusammenbruchs führen, wenn die älteren Mitarbeiter nach und nach Atteste einreichen, die ihre Einsatzmöglichkeiten einschränken, wenn sie vermehrt krankheitsbedingt ausfallen und auch an ihren Anwesenheitstagen nicht mehr die gewohnte Produktivität an den Tag legen können.
Es gibt also genügend Gründe, sich von solchen Schichtplänen zu verabschieden! Kann man das alles unter einen Hut bringen und die fünf genannten typischen Schwächen heutiger Schichtpläne beseitigen? Man kann nicht nur, man muss es tun! Einerseits, weil man durch das Arbeitszeitgesetz verpflichtet ist, die Arbeit der Beschäftigten im Schichtbetrieb ergonomisch verträglich zu gestalten. Andererseits, weil die Akzeptanz dieser Schwächen von Schichtplänen wirtschaftliche Nachteile mit sich bringt, die sich nur die wenigsten Unternehmen dauerhaft leisten können. Unsere Erfahrungen belegen, dass die Optimierung von Schichtplänen zu Einsparungen in einer Größenordnung von 5 bis 10% der benötigten Arbeitsstunden führt – und das in aller Regel ohne Stellenabbau, sondern schon allein durch Vermeidung bzw. Reduzierung der Anzahl von Überstunden und des Einsatzes von Leihkräften oder Aushilfen. Daneben werden langfristig wichtige Ergebnisse wie Vorbeugung vor erhöhten Krankheitsquoten erreicht und die Grundlage dafür geschaffen, dass auch mit alternden Belegschaften Schichten zuverlässig besetzt, ein gesicherter Betrieb also aufrecht erhalten werden kann.
Autor: Dr. Burkhard Scherf
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