Home-Office – Brauchen wir! Und so macht man es richtig…
In den letzten Wochen ist die Option zur Nutzung eines Home-Office sprungartig in den Fokus der betrieblichen Aufmerksamkeit gerückt. Quasi über Nacht wurden Möglichkeiten zur Arbeit aus dem Home-Office eingeräumt, wo dies vorher unerwünscht oder Gegenstand quälend langer Diskussionsprozesse zwischen HR und Betriebsräten war. Im Vorteil waren hier sicherlich die Unternehmen, die sich schon länger in Vereinbarungen und Prozesse rund um Arbeit aus dem Home-Office eingewöhnen konnten.
Auch wenn es richtig war, angesichts des plötzlichen Handlungsdrucks durch Corona pragmatisch vorzugehen und häufig auch ohne vorherige formale Regelungen die Arbeit im Home-Office für viele Mitarbeiter möglich zu machen, wird es nun im nächsten Schritt überall dort, wo bisher noch keine Regelungen bestanden, erforderlich sein, die Arbeit im Home-Office mit Betriebsvereinbarungen bzw. Einzelregelungen mit den einzelnen Beschäftigten zu unterlegen. Nachfolgend weisen wir auf die wichtigsten Aspekte hin, die in solchen Regelungen abgehandelt werden sollen. Eine gute Vereinbarung zur Arbeit im Home-Office ist immer eine individuelle, auf die Ausgangssituation der einzelnen Organisation abgestimmte Lösung. Wir unterstützen Sie gerne auch dabei, die richtige Lösung für Ihre Organisation zu finden!
Wir bei SSZ Beratung haben übrigens vom ersten Tag an auf Home-Office und Nutzung aller technischen Möglichkeiten zur Remote-Kommunikation genutzt. Deshalb verfügen wir heute bereits über mehr als 15 Jahre Erfahrung aus eigener Praxis. Zusätzlich konnten wir in Projekten mit sehr unterschiedlichen Unternehmen und Organisationen zusätzliche Projekterfahrung sammeln. Auch in diesem Thema macht uns also so leicht niemand etwas vor.
Zweck der Vereinbarung
Die Vereinbarung sollte erkennen lassen, zu welche Zweck sie geschlossen wurde, damit man Entscheidungen in Zweifelsfällen immer an diesem vereinbarten Zweck orientieren kann. Gründe für Arbeit im Home-Office kann es viele geben. Heute ist sie meist notwendig wegen der Kontakteinschränkungen aufgrund von Corona. Daneben ist sie z.B. für Mitarbeiter ein Instrument der Vereinbarkeit von Arbeit und Familie, dient der Reduktion von Fahrtzeiten und Kosten und wird zunehmend für Unternehmen zu einem wichtigen Instrument der Erzeugung von Attraktivität als Arbeitgeber.
Unter welchen Voraussetzungen ist Arbeit im Home-Office möglich?
Zunächst einmal muss sich die Tätigkeit eines Beschäftigten zur Ausübung im Home-Office eignen. Mit der fortschreitenden Digitalisierung vieler Tätigkeiten kann man davon heute bei den meisten klassischen Bürotätigkeiten ausgehen. Aber nicht für jede Tätigkeit ist es möglich. Und in manchen Fällen gibt es ein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers, dass bestimmte Tätigkeiten in den betrieblichen Räumlichkeiten erbracht werden. Ein elementarer Bestandteil einer Vereinbarung zum Home-Office ist daher die Klarstellung, unter welchen Voraussetzungen (z.B. Art der Tätigkeit) und in welchem Umfang (dies wird häufig im Einzelfall zwischen Führungskräften und Mitarbeitern vereinbart) Arbeit aus dem Home-Office heraus möglich sein soll.
Kein unbedingter Anspruch auf Tätigkeit im Home-Office
Hierbei sollte klar sein, dass es rechtlich zunächst keinen Anspruch eines Mitarbeiters auf Arbeit im Home-Office gibt und eine betriebliche Vereinbarung in der Regel auch nicht das Ziel verfolgt, ein uneingeschränktes Recht darauf herzustellen. Gängiges juristisches Verständnis ist, dass sich ein Arbeitgeber mit dem Wunsch eines Mitarbeiters nach Tätigkeit im Home-Office auseinandersetzen muss, es aber durchaus in seinem Ermessen steht, einen solchen Wunsch auch abzulehnen. In jüngerer Zeit erfolgte Ankündigungen aus dem BMAS, einen rechtlichen Anspruch auf Arbeit im Home-Office zu schaffen, sind bisher zumindest noch nicht in die Tat umgesetzt.
Auch die persönliche Eignung ist ein Kriterium
Dennoch kann es in vielen Fällen im gemeinsamen Interesse von Arbeitgebern und Beschäftigten liegen, Home-Office-Optionen zu schaffen. Dabei sollten Arbeitgeber durchaus auch den Aspekt der persönlichen Eignung von Mitarbeitern für diese Form der Arbeit im Auge haben. Home-Office-Tätigkeit setzt ein höheres Maß an Selbständigkeit und Selbstdisziplin voraus. Erweist es sich, dass einzelne Mitarbeiter damit nicht mit der gewünschten Verantwortung umgehen können, sollte eine Vereinbarung auch die Möglichkeit vorsehen, einem Mitarbeiter diese Option wieder zu entziehen.
In der Diskussion von Betriebsvereinbarungen ist dieser Punkt häufig zunächst heikel. Betriebsräte werden zurecht fragen, wie an dieser Stelle eine rein subjektive „Verurteilung“ eines Mitarbeiters durch seinen Vorgesetzten verhindert werden kann. Damit kommen wir an den Punkt, der dazu führt, dass auch Führungskräfte relativ häufig dem Konzept Home-Office skeptisch gegenüber stehen: Die Frage nach der Beurteilung von Arbeitsergebnissen. Viele Bürotätigkeiten lassen sich heute nicht mehr nach einfachen Maßstäben quantitativ beurteilen. Die Zahl der bearbeiteten und abgeschlossenen Vorgänge ist häufig kein geeignetes Kriterium zur Bewertung der Arbeitsqualität und -intensität eines Mitarbeiters. Manche Führungskräfte sperren sich deshalb gegen Arbeit im Home-Office, weil sie glauben, die Arbeitsintensität ihrer Mitarbeiter dann nicht mehr hinreichend überwachen zu können. Dabei sollte man aber einen wichtigen Zusammenhang nicht übersehen: Wer sich grundsätzlich nicht in der Lage sieht, die Arbeitsqualität eines Mitarbeiters ausschließlich anhand der Arbeitsergebnisse zu beurteilen, wird dies auch dann nicht können, wenn der Mitarbeiter räumlich in seiner Nähe arbeitet. Die Nähe hilft nur, die physische Anwesenheit eines Mitarbeiters zu überwachen. Am Ende des Tages bleibt aber nur das Ergebnis der Arbeit als Bewertungsmaßstab. Wenn ein Mitarbeiter zwar einen ganzen langen Arbeitstag an seinem Platz (ohne erkennbare Beschäftigung mit anderen Dingen als seiner Arbeit) verbracht hat, am Ende dieses Arbeitstags aber dennoch nur wenig erkennbare Ergebnisse vorliegen, wie ist dann das Ergebnis seiner Arbeit zu beurteilen?
Beitrag zur Abkehr von einer Präsenzkultur
Eine Vereinbarung zur Arbeit im Home-Office zwingt also zumindest auf längere Sicht dazu, sich von der überholten Präsenzkultur („wer früher als der Chef nach Hause geht, ist faul“) zu verabschieden und auch für solche Tätigkeiten Bewertungsmaßstäbe zu finden, die nur schwierig zu beurteilen sind. Oder aber sich selbst zuzugestehen, dass es für manche Tätigkeiten nur eingeschränkt verwendbare Bewertungsmaßstäbe gibt und man auf das Element des gegenseitigen Vertrauens angewiesen ist. Diese Einsicht führt dann auch dazu, dass es in einer Vereinbarung zur Arbeit im Home-Office möglich sein muss, abhängig von bewertbaren Arbeitsergebnissen oder abhängig vom gegenseitigen Vertrauen die Erlaubnis zur Arbeit im Home-Office einzuschränken oder ganz zu widerrufen.
Klar sollte auch sein, dass die Erlaubnis zur Arbeit im Home-Office nicht bedeutet, dass eine Anwesenheit in den Räumlichkeiten des Arbeitgebers überhaupt nicht mehr erforderlich ist. Der Arbeitgeber sollte sich in der Vereinbarung vorbehalten, dass der Mitarbeiter zu bestimmten Tätigkeiten, Meetings oder Gesprächen zur Präsenz verpflichtet werden kann.
Technische Voraussetzungen
Arbeit aus dem Home-Office heraus hat bestimmte räumliche und technische Voraussetzungen. Der Mitarbeiter muss über ein geeignetes Zimmer mit geeigneter Ausstattung verfügen. Die Systeme des Arbeitgebers müssen elektronisch von außen mit der notwendigen Datenbandbreite erreichbar sein. Dabei stellt sich auch die Frage, wer diese Ausstattung stellt und bezahlt. Dabei ist rechtlich unstrittig, dass der Arbeitgeber ggf. für die notwendige Ausstattung sorgen und die Kosten dafür (inkl. Gebühren für Telekommunikation, Strom, Heizung) tragen muss. Bei manchem Unternehmen hat sich gezeigt, dass die betrieblichen IT-Systeme bzgl. Kommunikationsgeschwindigkeit überarbeitet werden müssen, wenn vermehrt Arbeit aus dem Home-Office geleistet wird. Auch diese Aufgaben müssen ggf. rechtzeitig angegangen werden.
Arbeitsrechtliche Fragen
Daneben stellen sich auch noch einige arbeitsrechtliche Fragen bzw. Fragen zur Einhaltung der Arbeitsschutzregelungen:
- Viele Tätigkeiten erfordern den Zugriff auf vertrauliche Daten oder auch personenbezogene Daten. Hier gilt es, auch im Home-Office den Datenschutz sicherzustellen. Dabei ist wichtig, dass Arbeit mit solchen Daten im Home-Office ebenso wie am betrieblichen Arbeitsplatz eine interne Datenverarbeitung darstellt, für die keine besondere Erlaubnis erforderlich ist. Im Rahmen der Verantwortung des Arbeitgebers für geeignete Maßnahmen zum Datenschutz sollte der Mitarbeiter verpflichtet werden, z.B. durch die Verwendung von Passwörtern den Zugriff von Unbefugten wie Familienmitgliedern auf vertrauliche oder personenbezogene Daten zu verhindern.
- Nachdem in aller Regel Arbeit nicht ausschließlich aus dem Home-Office heraus, sondern auch in Präsenz am betrieblichen Arbeitsplatz stattfinden soll, sollte in der Vereinbarung klargestellt werden, dass der Betrieb weiterhin erste Tätigkeitsstätte bleibt und durch Tätigkeiten im Betrieb kein Anspruch auf Erstattung von Fahrtkosten entsteht.
- Das Arbeitszeitgesetz gilt auch bei Tätigkeit im Home-Office. Somit bleiben Arbeitgeber auch für diese Tätigkeiten in der Pflicht, Arbeitszeiten zu dokumentieren, die über acht Stunden pro Tag hinausgehen. Dazu braucht es entweder technische Systeme, die eine Dokumentation von Arbeitszeiten auch über das Internet ermöglichen, oder eine manuelle Aufzeichnung durch die Mitarbeiter. Vor dem Hintergrund der jüngsten EuGH-Rechtsprechung zur Arbeitszeiterfassung[1] könnte ein System zur webbasierten Dokumentation aller Arbeitszeiten das Mittel der Wahl sein.
- Auch für den Home-Office-Arbeitsplatz steht der Arbeitgeber in der Pflicht, eine Gefährdungsbeurteilung durchzuführen und ggf. Schutzmaßnahmen festzulegen. Hierbei scheint es juristisch noch umstritten, ob der Arbeitgeber sich eine Zugangsmöglichkeit zum Home-Office in der entsprechenden Vereinbarung einräumen lassen sollte, um solche Prüfungen tatsächlich selbst vorzunehmen. Mit Blick auf das hohe Rechtsgut der Unverletzlichkeit der Wohnung finde ich die folgende Rechtsauffassung überzeugend: „Der Arbeitgeber wird seiner Ermittlungspflicht gerecht, wenn er beim Beschäftigten nachfragt und die vom Arbeitnehmer gelieferten Informationen in seine Gefährdungsbeurteilung einstellt. Auf die Richtigkeit dieser Informationen darf der Arbeitgeber vertrauen, sofern sie nicht offensichtlich unrichtig oder widersprüchlich sind.“[2] Zudem muss er sich regelmäßig erkundigen, ob sich relevante Änderungen im Home-Office ergeben haben.
Fazit
Neben den aktuellen Herausforderungen aufgrund von Corona gibt es viele Argumente, die für die Möglichkeit der Arbeit aus einem Home-Office sprechen, sofern die jeweilige Tätigkeit nicht an Präsenz in den betrieblichen Räumen gekoppelt ist. Nicht zuletzt das Argument der Attraktivität des Arbeitgebers spielt in der heutigen Zeit des akuten Fachkräftemangels bei der Überlegung zur Ermöglichung von Home-Office-Tätigkeit eine zunehmende Rolle. Die praktische Umsetzung von Arbeit im Home-Office wirft eine Reihe von Fragen auf, die in einer entsprechenden Vereinbarung berücksichtigt und angepasst an die jeweilige betriebliche Ausgangslage gestaltet werden sollten. Dieser Beitrag zeigt auf, dass für alle wichtigen Fragen auch hinreichende Lösungsoptionen vorliegen. Die Kunst der Gestaltung besteht darin, die für die jeweilige Organisation passende individuelle Kombination von Lösungsbausteinen zu finden und auch den Betriebsrat in geeigneter Weise mitzunehmen.
[1] Siehe dazu auch unseren Blog-Beitrag: Das Urteil des EuGH zur Arbeitszeiterfassung und seine Folgen für Arbeitszeiten in Deutschland
[2] Tilman Isenhardt: Homeoffice: Einrichtung und Ausgestaltung; Der Betrieb, Dossier Sept. 2019, S. 6ff
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