Seitdem die breite Gesellschaft New Work entdeckt hat, vergeht kaum ein Monat, im dem nicht eine neue New Work-Sau durchs Dorf getrieben wird. Dass Ideen wie Bällebad, Obstkorb und Playstation für die Mitarbeitenden ganz nett, im Kern aber kein New Work sind, haben die meisten mittlerweile verstanden. Dafür gibt es nun Nachfolgesäue wie Homeoffice, 6-Stunden-Tag, 4-Tage-Woche, Workation u.v.m.
Es gibt auch Menschen, die mit New Work-Ideen nichts anfangen können
Natürlich sind das alles im Kern auch gute Ideen. Was aber komplett verloren geht, ist der eigentlich Freiheitsgedanke Frithjof Bergmanns, der dem New Work-Konzept zugrunde liegt. Nämlich, dass jede(r) das tun soll, was er oder sie wirklich wirklich will. Und das betrifft m.E. nicht nur die Art der Tätigkeit, sondern auch die Art und Weise, wie man arbeiten möchte.
Es soll tatsächlich so komische Leute geben, die gerne viel und auch mehr als 40 Stunden arbeiten und die doch tatsächlich lieber im Büro als im Homeoffice arbeiten oder die lieber Direktiven und klare Anweisungen von einer Führungskraft bekommen, anstatt selbst entscheiden zu wollen.
Und ja, es soll sogar Exoten geben, die gerne Schicht und am Wochenende arbeiten und die es cool finden, dass Arbeitszeiten wie im letzten Jahrhundert transparent und fair erfasst werden. Und diese Präferenzen sind auch völlig legitim.
New Work darf nicht zum Zwang werden
Dem entgegen steht aber eine Tendenz, die New Work als Zwang verordnet. Sobald ein Konzept auf dem Markt ist, dauert es nicht lange, bis die ersten Überlegungen kommen, dass man das Ganze gesetzlich regeln oder noch schlimmer gesetzlich verordnen muss, weil die Unternehmen einfach nicht begreifen wollen, was gut für sie ist. Und solange es diese Gesetze noch nicht gibt, muss jeder, der es wagt, kritische Gedanken zu äußern, mit einem Shitstorm des New Work-Kollektivs rechnen (Danke an Markus Väth für den Kollektiv-Gedanken aus dem Buch „Musterwechsel“).
Die belgische 4-Tage-Woche ist alles andere als New Work
Auch bei uns gibt es seit längeren immer wieder Vorschläge, z.B. gesetzlich eine 4-Tage-Woche zu etablieren. Belgien ist nun vorgeprescht. Und was da rausgekommen ist, bestätigt alle meine Befürchtungen, was passiert, wenn praxisfremde Bürokraten Gesetze machen. Um es ganz klar zu sagen: ich bin ein Fan von Arbeitszeitverkürzung, unabhängig davon, ob es sich dabei um eine Reduktion der täglichen Arbeitszeit oder der Anzahl der Arbeitstage handelt, sofern dies von allen Seiten freiwillig passiert. Aber eine Reduktion der Arbeitstage macht natürlich nur Sinn, wenn damit auch die Wochenarbeitszeit reduziert wird, zumindest solange diese entsprechend hoch ist.
Wenn man dann, wie in dem belgischen Modell geschehen, 40 Stunden in vier Arbeitstage packt, ist das alles andere als New Work, sondern eine enorme und ungesunde Verdichtung der Arbeitsleistung und außerdem extrem unflexibel.
Auch habe ich bis dato keinen Lösungsvorschlag gesehen, wie man z.B. mit 10-Stunden-Schichten einen Vollkonti-Schichtbetrieb von 24 h am Tag abdecken will.
Ob etwas New Work ist, hängt von der Ausgestaltung ab
Ob Homeoffice etwas mit New Work zu tun hat, hängt von der Ausgestaltung ab.
Wenn man Mitarbeitende dazu verdonnert, von 9 bis 17 Uhr mit definierten Pausen am Homeoffice-Arbeitsplatz zu sitzen, ist das nur eine Verlagerung des Arbeitsortes und ein Übergang vom Präsenz- in den Erreichbarkeitswahnsinn.
Mit New Work hat das genauso wenig zu tun, wie eine totale Entgrenzung der Arbeitszeit. Dürfen die Mitarbeitenden aber die Arbeit flexibel einteilen und Arbeits- und Privatphasen im Sinne einer Work-Life-Integration leben, kommen wir dem Thema schon näher, sofern es auch klar definierte Nichtarbeitszeiträume gibt.
D.h. nicht jedes neue Konzept ist automatisch New Work und es hängt extrem davon ab, wie man diese Konzepte inhaltlich ausgestaltet. Und genau dieser Freiraum der Ausgestaltung geht leider in der Regel verloren, wenn diese Konzepte gesetzlich geregelt oder alle Modelle per se verteufelt werden, die nicht in die Gedankenwelt der New Work-Avantgarde passen.
New Work bedeutet Wahlfreiheit
Im Kern ist für mich (subjektiv) New Work, wenn man Wahlmöglichkeiten hat. D.h. man hat die Wahl, ob man eher 40 oder nur 35 Stunden oder eine andere Anzahl Stunden arbeiten möchte oder wie in einem hybriden Modell die Verteilung zwischen Homeoffice und Präsenz im Unternehmen ist. Oder ob man eher mehr Geld verdienen oder mehr Freizeit möchte.
Und das, was man wirklich wirklich will, kann sich über die Lebensphasen auch verändern und dann sollte es die Möglichkeit geben, das auch anzupassen.
Und auch jedes Unternehmen hat unterschiedliche Anforderungen und somit auch unterschiedliche Möglichkeiten, die jeweiligen Konzepte anzubieten und auszugestalten. Daher brauchen Unternehmen den Freiraum, unterschiedliche Modelle zu definieren und als Wahlmöglichkeit anzubieten. Und wenn es Bedarf und Mitarbeitende gibt, die 40h in fünf Tagen arbeiten wollen, dann sollte das genauso möglich sein, wie wenn jemand eine 4-Tage-Woche mit 36h bevorzugt.
New Work ist deshalb weniger eine Frage, ob ein Konzept neu oder alt ist, es ist die Möglichkeit, das Beste aus alter und neuer Welt zum Wohle der Unternehmen und Beschäftigten zu kombinieren.
Und wenn man diesen Gedanken zulässt, wird New Work auch für die Deskless Workforce möglich, denn auch hier kann man unterschiedliche Modelle mit Wahlmöglichkeiten etablieren. Sobald ein Konzept aber per Zwang ohne Wahlfreiheit umgesetzt werden soll, ist es kein New Work mehr, denn das hat mit Freiheit und Selbstbestimmung nichts mehr zu tun.
Denn letztendlich geht es nicht um Einzelmaßnahmen und Anordnungen, sondern darum, ob Arbeit wirklich wirklich human für unterschiedlichste Interessen gestaltet wird. Deshalb #NewWorkNow, aber bitte nicht per Gesetz!
Dieser Beitrag nimmt an der Blogparade #NewWorkNow teil.
Wer wissen möchte, wie man Arbeitszeit innovativ und human gestalten kann, kann dies in unserem Buch „NEW WORKforce Management – Arbeitszeit human, wirtschaftlich und kundenorientiert gestalten“ nachlesen.
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